Gendefekte & Erbkrankheiten
Genetische Risikofaktoren und Erbleiden bei Meerschweinchen
Mutation oder Gendefekt ? Wo ist der Unterschied?
In der Tierzucht spricht man oft von Mutationen und Geschlechtsdefekten , die aber nicht das Gleiche sind, obwohl beide mit Veränderungen im Erbgut zu tun haben.
Mutation
Eine Mutation ist einfach gesagt eine Veränderung in den Genen eines Tieres. Diese Veränderungen passieren zufällig und können in jeder Generation auftreten. Manche Mutationen führen zu nützlichen Eigenschaften – zum Beispiel könnte eine Mutation dazu führen, dass ein Tier widerstandsfähiger gegen bestimmte Krankheiten wird. Andere Mutationen ändern das Aussehen eines Tieres, wie zum Beispiel eine neue Fellfarbe oder ein anderes Muster.
Nicht alle Mutationen haben sichtbare Folgen, und viele haben auch keinen Einfluss auf die Gesundheit des Tieres. Manche dieser Veränderungen können sogar für die Zucht interessant sein, wenn sie ein besonderes oder gewünschtes Merkmal erzeugen.
Gendefekt
Ein Gendefekt ist dagegen eine Mutation, die für das Tier gesundheitliche Probleme bedeutet. Das heißt, der „defekte“ Teil im Erbgut sorgt dafür, dass ein Tier eine bestimmte Krankheit hat oder ein körperliches Problem bekommt. Ein Beispiel wäre ein Defekt, der dazu führt, dass ein Tier kein Fell hat, wie bei den nackten Skinny- und Baldwin-Meerschweinchen, oder der dazu führt, dass bei einer Verdoppelung des defekten Gens schwerwiegende Gesundheitsschäden und Missbildungen entstehen. Ebenso kann das Fehlen eines Gens oder die Beschädigung von Genen zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen oder zum Tod führen. Ein weiteres Problem wäre das Vorhandensein eines zusätzlichen Gens, wie beispielsweise die Trisomi 21, auch als Downsyndrom bekannt.
Unterschied in der Zucht
In der Zucht ist es wichtig, zwischen normalen Mutationen und Gendefekten zu unterscheiden. Manche Mutationen werden gezielt weitergezüchtet, weil sie neue, interessante Merkmale hervorbringen – etwa eine besondere Fellfarbe. Gendefekte sollten jedoch vermieden werden, da sie das Tier krank oder anfällig machen. Das deutsche Tierschutzgesetz verbietet es sogar, gezielt mit Tieren zu züchten, die unter genetisch bedingten Krankheiten leiden und dadurch Schmerzen oder Leiden haben.
Zusammengefasst:
- Eine Mutation ist eine allgemeine Veränderung im Erbgut, die positiv, negativ oder neutral sein kann.
- Ein Genfehler ist eine Mutation, die das Tier gesundheitlich beeinträchtigt und in der Zucht als problematisch gilt.
Gendefekte
Gendefekte, die auf den ersten Blick nicht als schädlich erkennbar sind. Hier ein paar Beispiele aus dem Tierreich:
Gilbert S. Omenn, Victor A. McKusick, Robert J. Gorlin: The association of Waardenburg syndrome and Hirschsprung megacolon. In: American Journal of Medical Genetics. Band 3, Nr. 3, 1979
- Polydaktylie (mehrfaches Vorhandensein von Gliedmaßen, z. B. Vielzehigkeit)
- Rolllider
- Fettauge
- Zahnfehlstellungen
- Jede Art von anderen Behinderungen wie Taubheit, Blindheit
- Krankheiten jeder Art deren Ursache auch genetisch sein kann, z. B. Herzerkrankungen
- Osteodystrophie (Satinkrankheit)
- Augenverknöcherung,Osseäre Choristie
Im Unterschied zu den echten Erbkrankheiten gibt es aber auch noch die unerwünschten Rassemerkmale, die sich oft hartnäckig weitervererben. Dabei handelt es sich lediglich um sogenannte "Schönheitsfehler", wie z. B. Fehlwirbel, unvollständige Bewirbelung bei Angora- und Rosettenmeerschweinchen oder Faltohren. Diese beeinträchtigen kein Meerschweinchen in der Gesundheit, sind aber einem ehrgeizigen Züchtenden hinderlich auf dem Weg zu seinem Zuchtziel. Diese Tiere müssen nicht zwingend aus der Zucht genommen werden, denn man kann durch die Anwendung gezielter Zuchtmethoden (Merkmalszucht, Ausgleichzucht) bei gleichzeitig strenger Selektion der Jungtiere daran arbeiten, diese Merkmale zu verbessern.
Die bekanntesten Gendefekte/Erbkrankheiten der Meerschweinchen
Rolllider
Jetzt konnte ich die Augen der Babys auch richtig behandeln. Bei 2 der Babys wurden die Symptome schnell besser, das 3. war stark betroffen, das musste ich mehrmals täglich über mehrere Wochen behandeln. Die Mühe hat sich aber gelohnt, seine Augen konnten gerettet werden.
Die verletzte Hornhaut musste je nach Schweregrad 5-14 Tage behandelt werden, bis sich das Lid dann "ausgerollt" hat. . Die Behandlung der verletzten Hornhaut erfolgt mit einer nährenden Augensalbe gegen die Verletzung. Diese muss je nach Schweregrad 3-5 x täglich auf die Hornhaut aufgetragen werden. Dabei sollte man das Augenlid ganz vorsichtig nach oben ziehen und "ausrollen". Dabei hilft auch, das Augenlid mit Vaseline nach oben zu "kleben", damit es sich strafft. Im Schlimmsten Fall hilft nur eine operative Straffung der Augenlider.
Da es sich um ein Erbleiden handelt, müssen diese Tiere unbedingt aus der Zucht genommen werden. Auch Jungtiere die selbst nicht betroffen waren, dürfen nicht zur Zucht eingesetzt werden. Roll-Lider können übrigens auch bei anderen Tierarten vorkommen.
Fettauge
Das Fettauge, engl. Fetty Eyes, ist eine genetisch bedingte Bindegewebeschwäche am Auge. Es ist rezessiv vererbbar, was bedeutet, dass es auch Trägertiere
gibt die selbst nie ein Fettauge zeigen. Bei Jungtieren tritt es fast nie auf, erst ab dem 6. Lebensmonat kommt es zum Vorschein. Spätestens dann sollten die
Tiere und ihre Nachkommen von der Zucht ausgeschlossen werden.
Beim Fettauge quillt die Bindehaut des Auges über den herabhängenden Lidrand hinaus und wirkt deshalb auf den ersten Blick wie eine Bindehautentzündung.
Meistens leiden die Tiere jedoch nicht darunter, es ist nicht schmerzhaft und beeinträchtigt das Sehvermögen nicht oder kaum. Jedoch kann es durch die ofenliegende Bindehaut leichter zu Entzündungen der Bindehaut kommen.
Osseäre Choristie
Bei der Augenverknöcherung handelt es sich um eine Augenkrankheit, die man wohl nur bei Meerschweinchen findet. Bei dieser Veränderung der Augen wird rund um die Pupille, im Ziliarkörper, durch Calciumeinlagerungen Knochengewebe gebildet. Die Ursachen sind bisher noch immer nicht geklärt, vermutet wird aber eine Stoffwechselstörung oder zu viel Vitamin C im Auge.
Wenn das betroffene Meerschweinchen keine Beschwerden hat, ist eine Behandlung nicht erforderlich und auch nicht möglich.
Es können aber Folgeerkrankungen wie Glaukom oder Entzündungen verursacht werden, die dann vom Tierarzt behandelt werden müssen.
Quelle: Leitsymptome bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu, von Anja Ewringmann, Barbara Glöckner
Da eine genetische Ursache nicht auszuschließen ist, müssen diese Tiere von der Zucht ausgeschlossen werden.
Ostedystrophie und die Verbindung zur Satinzucht
Bei dieser Erkrankung ist der Körper unfähig, Mineralstoffe in ausreichender Menge und richtig in den Knochen zu speichern. Die Knochen werden dadurch weich und porös. Dies führt zu einer vorzeitigen Abnutzung von Gelenken, Verformungen und Knochenbrüchen, was die Erkrankung sehr schmerzhaft macht.
Lethalgen bei Schimmel- und Dalmatinermeerschweinchen
Besonderheiten und tödliche Risikofaktoren
ACHTUNG!!! Verpaare niemals: Schimmel x Schimmel Schimmel x Dalmatiner Dalmatiner x Dalmatiner Schimmel x Meerschweinchen mit Weissscheckung Dalmatiner x Meerschweinchen mit Weissscheckung |
Rosette, Rotschimmel | Glatthaar, Dalmatiner Schoko | |
Versteckter Schimmel, sieht aus wie ein Tier mit Weißscheckung, ist aber lt. Abstammungsnachweis aus einer Schimmelverpaarung gefallen. | Magpie in Schwarz-Weiss zum Vergleich Optisch könnte dies ein schlecht gezeichneter Schimmel sein, ist aber lt. Abstammung definitv ein Magpie. | |
Letal White Babys - zum Sterben verurteilt!
Diese Bilder zeigen zwei sog. Letalbabys, welche wohl die Geburt überlebt haben, aber durch die starken Kiefermissbildungen
keine Überlebenschance hatten. Vielen Dank an Cornelia Schicketanz aus Wien (www.meerschweinchenberatung.at), die
mir diese interessanten Fotos zur Verfügung gestellt hat. Die Bilder wurden mit freundlicher Genehmigung eingestellt und unterliegen dem
Copyright der jeweiligen Besitzer, Cornelia Schiketanz
Polydaktylie & Atavismus bei Meerschweinchen
Polydaktylie:
Hierbei handelt es sich um eine genetisch bedingte Veranlagung zur Bildung von über die artspezifische Anzahl hinausgehende Zahl von Fingern und/oder Zehen. Das Wort Polydaktylie kommt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt: Vielfingrigkeit.
Die Polydaktylie kommt nicht nur bei uns Menschen, sondern bei den verschiedensten Säugetierarten vor. So findet man Viezehigkeit auch bei Meerschweinchen.
Die Meerschweinchen zeigen beispielsweise an den Hinterfüßen 4 oder mehr statt 3 Zehen. Die Anzahl der Zehen kann auch ungleichmäßig verteilt sein, also beispielsweise hinten rechts 5 Zehen und hinten links 3 Zehen. Normalerweise haben die Tiere keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen dadurch.
Oft sind die Zehen nicht richtig ausgebildet und hängen ohne knöcherne Verbindung nur mit einem Hautfetzen baumelnd am Fuß. Bei den sogenannten Anhängselzehen handelt es sich um Atavismus. In diesem Fall wird der Tierarzt zur Amputation des Anhängsels raten um Verletzungen durch hängen bleiben und abreissen zu vermeiden.
Am häufigsten begegnet man Polydaktylie bei Cuys, den Riesenmeerschweinchen. Sehr viel seltener kommt diese Veranlagung bei den Hausmeerschweinchenrassen vor.
In der Rassezucht gilt das Vorhandensein von überzähigen Zehen als Fehler, es ist, wenn es sich um Polydaktylie handelt ein Erbfehler und diese Tiere solllten deshalb nicht zur Zucht eingesetzt werden. Das mag auch der Grund sein, warum man die Vielzehigkeit bei Rassemeerschweinchen nicht so oft findet, man hat sie einfach über Jahre "ausgezüchtet".
Atavismus:
Atavismus: Hierbei werden durch spontane Erbänderungen (Mutation) entweder eine genetische Situation wie bei einer Ahnenform wiederhergestellt (Rückmutation) oder dadurch bislang reprimierte (latente) Gene wieder aktiviert (Genregulation). b) Hybrid-Atavismus: Durch Bastardierung nahe verwandter Arten können Genkombinationen entstehen, die die Merkmalsausbildung von Ahnenformen bedingen. c) Atavismus in Form von Hemmungsmißbildungen: durch Störungen in der Embryonalentwicklung können dort nur vorübergehend auftretende Organbildungsstadien, die ursprüngliche Merkmale rekapitulieren (Rekapitulation, Biogenetische Grundregel), an der weiteren Differenzierung gehindert werden und so am fertigen Organismus erhalten bleiben (persistieren). Hierher gehören beim Menschen gelegentlich auftretende Halsfisteln, die persistierenden "Kiemenspalten" eines embryonal angelegten Kiemendarms entsprechen. – 2) Neben Atavismen aus dem morphologischen Bereich kommen auch Verhaltensatavismen vor. Diese werden den Hybrid-Atavismen zugeordnet. Hierbei treten bei Artbastarden Verhaltensweisen auf, die bei den jeweiligen Elternarten nicht vorkommen, sondern von ursprünglicheren, verwandten Arten gezeigt werden. Verhaltensatavismen sind z. B. bei Haus-Sperlingen bekannt. Diese bauen ihre Nester normalerweise in Nischen; als Verhaltensatavismus wird der Bau von Kugelnestern beschrieben – eine Bauweise, die von ursprünglicheren Arten der Webervögel genutzt wird. Bei Artbastarden verschiedener Arten der Schwimmenten werden vor allem bei der Balz atavistische Verhaltenselemente gezeigt. Pluripotenz, Vries (H. de).
Quelle: http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/atavismus/5710
Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Lexikon der Biologie
Es handelt sich also um anatomische Merkmale, die Urahnen von Mensch und Tier einst hatten, die aber durch Evolution zurückgebildet wurden weil sie nicht mehr gebraucht wurden und nun spontan bei einzelnen Individuen wieder zum Vorschein kommen.
Wie kann sich Atavismus bei unseren Meerschweinchen zeigen?
Bei Meerschweinchen treten gelegentlich spontan einzelne Zehen, sogenannte Anhängselzehen auf. Vereinzelt findet man auch den Begriff Afterkralle. Diese haben keine knöcherne Verbindung zum Fuß und keinerlei Funktionsfähigkeit. In diesem Fall spricht man von Atavismus. Anscheinend besteht hier aber wohl ein genetischer Unterschied zur Polydaktylie und wird oft damit verwechselt. Meiner Ansicht nach kann man kann ohne genetische Untersuchung nicht gesichert sagen, ob es sich um die oben beschriebene Polydaktylie in schwacher Ausprägung, oder um echten Atavismus handelt. Deshalb sind die Tiere vorsichtshalber von der Zucht auszuschließen.
Eine andere Form des Atavismus bei Meerschweinchen ist das Vorhandensein von mehr als 2 Zitzen am Gesäuge, was aber meist erst nach dem ersten Wurf auffällt, wenn die Milch einschießt und das Gesäuge anschwillt. Da es sich dabei nicht um einen "Erbfehler" handelt, muss man die Tiere nicht von der Zucht ausschließen. Für die Jungtiere ist es sogar praktisch, wenn die Mama mehr Plätze an der Milchbar hat.