Gendefekte & Erbkrankheiten

Genetische Risikofaktoren und Erbleiden bei Meerschweinchen

Mutation oder Gendefekt ? Wo ist der Unterschied?

 

In der Tierzucht spricht man oft von Mutationen und Geschlechtsdefekten , die aber nicht das Gleiche sind, obwohl beide mit Veränderungen im Erbgut zu tun haben.

 

Mutation

 

Eine Mutation ist einfach gesagt eine Veränderung in den Genen eines Tieres. Diese Veränderungen passieren zufällig und können in jeder Generation auftreten. Manche Mutationen führen zu nützlichen Eigenschaften – zum Beispiel könnte eine Mutation dazu führen, dass ein Tier widerstandsfähiger gegen bestimmte Krankheiten wird. Andere Mutationen ändern das Aussehen eines Tieres, wie zum Beispiel eine neue Fellfarbe oder ein anderes Muster.

Nicht alle Mutationen haben sichtbare Folgen, und viele haben auch keinen Einfluss auf die Gesundheit des Tieres. Manche dieser Veränderungen können sogar für die Zucht interessant sein, wenn sie ein besonderes oder gewünschtes Merkmal erzeugen.

 

Gendefekt

 

Ein Gendefekt ist dagegen eine Mutation, die für das Tier gesundheitliche Probleme bedeutet. Das heißt, der „defekte“ Teil im Erbgut sorgt dafür, dass ein Tier eine bestimmte Krankheit hat oder ein körperliches Problem bekommt. Ein Beispiel wäre ein Defekt, der dazu führt, dass ein Tier kein Fell hat, wie bei den nackten Skinny- und Baldwin-Meerschweinchen, oder der dazu führt, dass bei einer Verdoppelung des defekten Gens schwerwiegende Gesundheitsschäden und Missbildungen entstehen. Ebenso kann das Fehlen eines Gens oder die Beschädigung von Genen zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen oder zum Tod führen. Ein weiteres Problem wäre das Vorhandensein eines zusätzlichen Gens, wie beispielsweise die Trisomi 21, auch als Downsyndrom bekannt. 

Unterschied in der Zucht

In der Zucht ist es wichtig, zwischen normalen Mutationen und Gendefekten zu unterscheiden. Manche Mutationen werden gezielt weitergezüchtet, weil sie neue, interessante Merkmale hervorbringen – etwa eine besondere Fellfarbe. Gendefekte sollten jedoch vermieden werden, da sie das Tier krank oder anfällig machen. Das deutsche Tierschutzgesetz verbietet es sogar, gezielt mit Tieren zu züchten, die unter genetisch bedingten Krankheiten leiden und dadurch Schmerzen oder Leiden haben.

Zusammengefasst:

  • Eine Mutation ist eine allgemeine Veränderung im Erbgut, die positiv, negativ oder neutral sein kann.
  • Ein Genfehler ist eine Mutation, die das Tier gesundheitlich beeinträchtigt und in der Zucht als problematisch gilt.

Gendefekte 

 
Unter einem Gendefekt versteht man eine dauerhafte Veränderung des Erbguts, lokalisiert auf ein bestimmtes Gen. Diese Defekte haben eine meist schädliche Auswirkung auf den Organismus. Selten haben Genmutationen positive Auswirkungen. Die Veränderung des Gens durch einen solchen Defekt kann unterschiedliche Große Bereiche des Gens betreffen. Manchmal ist es nur eine winzig kleine Veränderung, eine sogenannte Punktmutation, es können aber auch Genabschnitte oder das gesamte Gen fehlen, oder verdoppelt/verdreifacht sein.

Gendefekte, die auf den ersten Blick nicht als schädlich erkennbar sind. Hier ein paar Beispiele aus dem Tierreich:
 
Bei Hunden kennt man die Merle Zeichnng. Dieser heterozygote Gendefekt bewirkt eine atraktive Zeichnung des Fells. Leider hat sich herausgestellt, dass der Merle Faktor in einigen Fällen zur Missbildung des Innenohres, und damit zur einseitigen oder vollständigen Taubheit führt. Deshalb dürfen in der verantwortungsvollen Hundezucht keine Merleträger miteinander verpaart werden. 
 
Weisse Katzen sind relativ häufig taub, insbesondere, wenn sie blaue Augen haben. Hier betrifft die Taubheit ca. 40% der Tiere. Diese Taubheit, in Verbindung mit der weißen Fellfarbe, scheint nach einer Studie durch den selben Gendefekt verursacht zu sein, der beim Menschen das sog. Waardenburg Syndrom verursacht:
Gilbert S. Omenn, Victor A. McKusick, Robert J. Gorlin: The association of Waardenburg syndrome and Hirschsprung megacolon. In: American Journal of Medical Genetics. Band 3, Nr. 3, 1979
 
 
Schimmel- und Dalmatiner Meerschweinchen: Diese besonderen Zeichnungen, sind ebenfalls wie die Merlezeichnung durch eine defektes Gen, den sog. Lethalfaktor verursacht. Allerdings kommt es bei der Verpaarung von Trägern des Roan Genes noch zu weitaus drastischeren Auswirkungen bei den Jungtieren. Es werden bei Verdopplung des Genes sogenannte Lethal Whites geboren, die schwerst behindert und nicht lebensfähig sind! 
 
Dabei unterscheidet man zwischen dominant oder rezessiv vererbbaren Defekten.
 
Bei dominant vererbbaren Gendefekten stellt sich meist erst bei den ersten Verpaarungen und den daraus folgenden Würfen heraus, dass dieser Defekt vererbt wird. Anders bei rezessiv vererbbaren Defekten/Krankheiten. Diese schlummern oft lange Zeit unerkannt in den Elterntieren und Nachkommen und werden erst aufgedeckt, wenn eine Rückverpaarung gesetzt wird, oder durch Zufall zwei Individuen verpaart werden, die den gleichen Defekt tragen.
 
Diese Tiere sind konsequent aus der Zucht zu nehmen, ebenso die Jungtiere, auch wenn sich der Defekt bei Ihnen nicht zeigt.
 
Meerschweinchen mit diesen Merkmalen dürfen nicht zur Zucht eingesetzt werden:
  • Polydaktylie (mehrfaches Vorhandensein von Gliedmaßen, z. B. Vielzehigkeit)
  • Rolllider
  • Fettauge
  • Zahnfehlstellungen
  • Jede Art von anderen Behinderungen wie Taubheit, Blindheit
  • Krankheiten jeder Art deren Ursache auch genetisch sein kann, z. B. Herzerkrankungen
  • Osteodystrophie (Satinkrankheit)
  • Augenverknöcherung,Osseäre Choristie
Eine Rückverpaarung Vater/Tochter oder Mutter/Sohn kann auch Aufschluss über Erbkrankheiten oder rezessive Rassemerkmale geben. Tiere bei denen derartige Defekte auftreten sind neben allen Nachkommen konsequent aus der Zucht zu nehmen!

Im Unterschied zu den echten Erbkrankheiten gibt es aber auch noch die unerwünschten Rassemerkmale, die sich oft hartnäckig weitervererben. Dabei handelt es sich lediglich um sogenannte "Schönheitsfehler", wie z. B. Fehlwirbel, unvollständige Bewirbelung bei Angora- und Rosettenmeerschweinchen oder Faltohren. Diese beeinträchtigen kein Meerschweinchen in der Gesundheit, sind aber einem ehrgeizigen Züchtenden hinderlich auf dem Weg zu seinem Zuchtziel. Diese Tiere müssen nicht zwingend aus der Zucht genommen werden, denn man kann durch die Anwendung gezielter Zuchtmethoden  (Merkmalszucht, Ausgleichzucht) bei gleichzeitig strenger Selektion der Jungtiere daran arbeiten, diese Merkmale zu
verbessern.


Die bekanntesten Gendefekte/Erbkrankheiten der Meerschweinchen


  1. Rolllid
  2. Fettauge
  3. Augenverknöcherung
  4. Osteodystrophie
  5. Letalfaktor
  6. Polydaktylie/Avatismus

 Rolllider 


auge meerschweinchen rolllid

Das Roll-Lid (Entropium)  ist eine rezessiv vererbbare Erkrankung, bei der sich ein oder beide Augenlider nach innen 
einrollen. Durch die Wimpernhärchen wird die Augenhornhaut gereizt und verletzt. Dadurch wird sie trübe. Bei Nichtbehandlun
g kann das Auge einen bleibenden Schaden bekommen oder ganz kaputt gehen. Beim gesunden Meerschweinchenauge sieht man deutlich den Lidrand. Bei einem Rolllid ist der Lidrand nicht zu sehen, die Fellhaare scheinen zu nahe am Auge zu sein,weil der Lidrand nach innen gerollt ist. Das Auge ist deutlich eingetrübt und gereizt.
Fallbeispiel: Ich hatte mir im Jahr 2010 ein Glatthaar Zuchtpaar in Magpie gekauft. Die Tiere waren bei einem, wie ich damals glaubte renomierten Züchter reserviert. Kurz bevor die Tiere zu mir kamen erhielt ich die Nachricht, dass sie in Urlaub gewesen seien und dass das damals noch sehr junge Weibchen auf mysteriöse Weise ein Auge verloren hätte, da die Urlaubsvertretung das nicht bemerkt hätte. Wir glaubten damals an eine Verletzung durch beispielsweise einen Heuhalm, wie sie bei 
Meerschweinchen öfter vorkommen kann. Also war dies für mich kein Grund das Tier nicht zur Zucht einzusetzen und ich ließ die Tiere trotzdem zu mir kommen. 
 
Der Bock kam etwas eher zum Einsatz und durfte eine Glatthaarsau decken, die ich bereits hatte. Als die Babys zur Welt kamen, hatten 2 von ihnen gereizte Augen. Die Diagnose des damals behandelnden Tierarztes (nicht unser Stammtierarzt!!!) lautete damals: Infektiöse Bindehautentzündung, die Babys hätten sich im Geburtskanal Bakterien eingefangen. Sonst erkrankte aber kein einziges Tier, was für eine Infektion schon seltsam ist.... Auch die Mutter war gesund und munter. Die Babys wurden behandelt und es wurde auch bald besser.
 
Einige Wochen später wurden dann die Babys von Maja geboren und ich staunte nicht schlecht, als 3 neugeborene Babys "Bindehautentzündung" und sogar teilweise trübe Augen hatten. Es kamen sofort große Zweifel an der damaligen Diagnose auf. Also ging ich bewusst mit der kompletten Familie wieder zu diesem Tierarzt, der mir tatsächlich wieder die selbe Diagnose verkaufen wollte. Ich wies ihn expliziet auf den verdächtigen Vorfall mit Majas Auge, und den Wurf der 1. Sau hin, von dem Willi ja auch der Vater war. Im Übrigen waren Maja und Willi auch weitschichtig verwandt, was ich aber erst mit Erhalt der Tiere und der Stammbäume erfuhr. Aber dieser Tierarzt beharrte auf seiner Diagnose, lies diese Fakten ausser Acht......(dies war der letzte Besuch bei diesem Tierarzt!)
Also fing ich an im Züchterforum zu recherchieren und bekam schnell Antwort von einer erfahrenen Züchterin: Rolllider! Damit kam auch eine gewisse Logik in die Geschichte und es erklärte auch, warum der Wurf von Maja und Willi schlimmer betroffen war, als der Wurf von Roxy, mit der Willi ja nicht verwandt war.

Jetzt konnte ich die Augen der Babys auch richtig behandeln. Bei 2 der Babys wurden die Symptome schnell besser, das 3. war stark betroffen, das musste ich mehrmals täglich über mehrere Wochen behandeln. Die Mühe hat sich aber gelohnt, seine Augen konnten gerettet werden.

Die verletzte Hornhaut musste je nach Schweregrad 5-14 Tage behandelt werden, bis sich das Lid dann "ausgerollt" hat. . Die Behandlung der verletzten Hornhaut erfolgt mit einer nährenden Augensalbe gegen die Verletzung. Diese muss je nach Schweregrad 3-5 x täglich auf die Hornhaut aufgetragen werden. Dabei sollte man das Augenlid ganz vorsichtig nach oben ziehen und "ausrollen". Dabei hilft auch, das Augenlid mit Vaseline nach oben zu "kleben", damit es sich strafft.  Im Schlimmsten Fall hilft nur eine operative Straffung der Augenlider.

Da es sich um ein Erbleiden handelt, müssen diese Tiere unbedingt aus der Zucht genommen werden. Auch Jungtiere die selbst nicht betroffen waren, dürfen nicht zur Zucht eingesetzt werden. Roll-Lider können übrigens auch bei anderen Tierarten vorkommen.

Fettauge

Das Fettauge, engl. Fetty Eyes, ist eine genetisch bedingte Bindegewebeschwäche am Auge. Es ist rezessiv vererbbar, was bedeutet, dass es auch Trägertiere
gibt die selbst nie ein Fettauge zeigen. Bei Jungtieren tritt es fast nie auf, erst ab dem 6. Lebensmonat kommt es zum Vorschein. Spätestens dann sollten die
Tiere und ihre Nachkommen von der Zucht ausgeschlossen werden.

Beim Fettauge quillt die Bindehaut des Auges über den herabhängenden Lidrand hinaus und wirkt deshalb auf den ersten Blick wie eine Bindehautentzündung.
Meistens leiden die Tiere jedoch nicht darunter, es ist nicht schmerzhaft und beeinträchtigt das Sehvermögen nicht oder kaum. Jedoch kann es durch die ofenliegende Bindehaut leichter zu Entzündungen der Bindehaut kommen.

 

 Osseäre Choristieaugenverknoecherung bei einem Meerschweinchen


Bei der Augenverknöcherung handelt es sich um eine Augenkrankheit, die man wohl nur bei Meerschweinchen findet. Bei dieser Veränderung der Augen wird rund um die Pupille, im Ziliarkörper, durch Calciumeinlagerungen Knochengewebe gebildet. Die Ursachen sind bisher noch immer nicht geklärt, vermutet wird aber eine Stoffwechselstörung oder zu viel Vitamin C im Auge.
Wenn das betroffene Meerschweinchen keine Beschwerden hat, ist eine Behandlung nicht erforderlich und auch nicht möglich.
Es können aber Folgeerkrankungen wie Glaukom oder Entzündungen verursacht werden, die dann vom Tierarzt behandelt werden müssen.

Quelle: Leitsymptome bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu, von Anja Ewringmann, Barbara Glöckner

Da eine genetische Ursache nicht auszuschließen ist, müssen diese Tiere von der Zucht ausgeschlossen werden.

 

Ostedystrophie und die Verbindung zur Satinzucht

 

Bei dieser Erkrankung ist der Körper unfähig, Mineralstoffe in ausreichender Menge und richtig in den Knochen zu speichern. Die Knochen werden dadurch weich und porös. Dies führt zu einer vorzeitigen Abnutzung von Gelenken, Verformungen und Knochenbrüchen, was die Erkrankung sehr schmerzhaft macht.

 
Satinmeerschweinchen: Erkennbar an ihrem auffällig glänzendem Fell, gibt es in fast allen Rassen und Farben. Es handelt sich hier um eine genetisch vererbbare Besonderheit in der Fellstruktur. Die Haare sind hohl und reflektieren das Licht in besonderer Weise, dadurch entsteht der besondere Glanz. Sie vererben leider häufig die Osteodystrophie (OD). Allerdings sind nicht alle Zuchtlinien von dieser Erbkrankheit betroffen. Ebenso gibt es vereinzelt Fälle von OD bei Meerschweinchen die weder Satin noch Satinträger sind.
 
Meerschweinchen, die an OD erkrankt sind, werden durchschnittlich nur ca. 2 Jahre alt. Die Osteodystrophie (OD) der Meerschweinchen ist eine Skeletterkrankung , bei der den Knochen Calcium entzogen wird. Die Knochengrundsubstanz (Osteoid) wird abgebaut und durch instabiles Bindegewebe ersetzt. Neues Calcium das durch die Nahrung aufgenommen wird, wird nicht wieder in die Knochen eingebaut. Die Erkrankung kommt gehäuft fast ausschließlich bei Satin-Meerschweinchen,  vor und ist hier vermutlich genetisch bedingt. Daher kommt auch der Beiname Satinkrankheit. Die Krankheit ist nicht ansteckend. Nur sehr selten kommt eine Osteodystrophie auch bei Meerschweinchen ohne diese Besonderheit der Behaarung vor.
 
Ähnliche Symptome können aber auch durch andere Erkrankungen und Fehlernährung auftreten, sie sind dann zumeist Folge einer langanhaltenden Calciumunterversorgung (durch falsche Ernährung) oder einer chronischen Niereninsuffizienz. 
 
Zitat: Bei der Osteodystrophie sind vor allem die Kiefer- und Oberschenkelknochen betroffen. Sie führt zu einer Instabilität und Schädigung des Skeletts mit erheblichen Schmerzen, Haltungsstörungen (Abspreizen der Beine im Liegen), Bewegungsstörungen (abwechselndes Belasten, hoppelnder Gang, bis hin zur vollständigen Bewegungsunfähigkeit) und Schwierigkeiten bei der Futteraufnahme (Bevorzugung von Weichfutter, Verdauungsstörungen, später Abmagerung). Die Krankheit kann durch Röntgenaufnahmen schon vor Auftreten dieser Symptome festgestellt werden. Der Krankheitsverlauf ist sehr variabel. Bei einigen Tieren sind bereits in einem Alter von 10 bis 12 Monaten so hochgradige Krankheitserscheinungen ausgebildet, dass sie eingeschläfert werden müssen. Bei anderen verläuft die Knochenentkalkung so schleichend, dass sie trotz röntgenologisch nachgewiesener Osteodystrophie ein durchschnittliches Alter erreichen, ohne jemals Symptome zu zeigen. Eine Behandlung der Erkrankung ist nicht möglich, eine Gabe von Calcium hat keinen Effekt auf das Fortschreiten der Krankheit, da es nicht wieder in die Knochen eingelagert werden kann.  Im fortgeschrittenen Stadium sollte man dem Tier starkes Leiden ersparen und es einschläfern lassen. Eine Vermeidung der Osteodystrophie durch Zuchtauswahl ist kaum möglich, da sie meist erst in einem Alter nachgewiesen werden kann, in dem Zuchttiere längst Nachwuchs produziert haben.
Quelle:Meerschweinchen: Heimtier und Patient von Birgit Drescher,Ilse Hamel
 
Die Kleintierklinik der Freien Universität Berlin, an der die entsprechenden Studien durchgeführt wurden, riet bis zu einer endgültigen Klärung des Problems von einer weiteren Zucht von Satinmeerschweinchen aus tierschützerischen und medizinischen Gründen ab.Es gibt auch eine Studie der FU Berlin:
 
 
Weitere Informationen:
 
 
Wenn man also Satinmeerschweinchen züchten möchte, so sollte man die Zuchttiere nur von Züchtern mit langjähriger Satinzucht und nachweislich gesunden und OD freien Linien, oder von Züchtern die über die Papiere nachweisen können, dass ihre Tiere aus solchen gesunden Linien abstammen, kaufen. Da der Verdacht besteht, dass OD aus Verpaarungen Satin x Satin entsteht, sollte man von diesen Verpaarungen absehen und niemals Satin x Satin oder Satin x Satin-Träger verpaaren.
 

Lethalgen bei  Schimmel- und Dalmatinermeerschweinchen

Besonderheiten und tödliche Risikofaktoren

 
Schimmel- und Dalmatinermeerschweinchen haben in der Meerschweinchenchzucht eine Sonderstellung und sollten, wenn überhaupt, nur von erfahrenen Züchtern mit enstprechenden Genetikkenntnissen gezüchtet werden.
 
Warum ist das so? Schimmel und Dalmatiner tragen das Letal - Gen Rnrn (bei allen anderen rnrn) welches bei ein Verdopplung zum Tod des Nachwuchs oder schweren Behinderungen führt. Das Gen ist dominant vererbbar. Es kommen zu 100% sog. Lethal White Babys zur Welt, die mit Organschäden und teilweise schweren Missbildungen geboren werden. Meistens sind es Totgeburten, aber auch wenn sie lebend geboren werden so überleben sie nur kurze Zeit.
 
Jedes Meerschweinchen, das auch nur ein einziges weisses Haar aufweist ist, sofern die Abstammung nicht 100% geklärt ist, vorsichtshalber als Schimmel anzusehen und darf nicht mit Schimmel oder Dalmatinermeerschweinchen verpaart werden. Ob es Sinn macht, diese Tiere, die einen so folgeschweren Gendefekt haben, zu züchten, sei dahingestellt, ich erlaube mir kein Urteil darüber.. Fakt ist aber, dass es durch gewollte oder ungewollte Vermehrungen längst zu einer Vermischung gekommen ist und man daher, wenn nichts anderes nachgewiesen ist, präventiv alle Meerschweinchen mit Weißscheckung, und wenn es auch nur ein einziges weisses Haar am Körper hat, als Schimmel betrachten muss. Auch wenn der Zuchtpartner mit Weissscheckung laut Abstammungsnachweis nachweislich keine Schimmel- oder Dalmatinermeerschweinchen in der Ahnenliste hat, sollte man diese Tiere nicht als Zuchtpartner verwenden, weil es sonst vermehrt versteckte Schimmel fallen und es nicht zur eindeutigen Zeichnung der Tiere kommt. Meerschweinchen mit diesen Zeichnungen dürfen ausschließlich mit einfarbigen Tieren verpaart werden!
 
ACHTUNG!!!
Verpaare niemals:
Schimmel x Schimmel
Schimmel x Dalmatiner
Dalmatiner x Dalmatiner
Schimmel x Meerschweinchen mit Weissscheckung
Dalmatiner x Meerschweinchen mit Weissscheckung
 
Wie sehen diese Tiere aus? Beide Zeichnungen gibt es in verschiedenen Farbvarianten.
 
Rosette, Rotschimmel   Glatthaar, Dalmatiner Schoko
meerschweinchen rotschimmel   meerschweinchen dalmatiner schoko
     
 
 
Versteckter Schimmel: Hierbei handelt es sich um Tiere die entweder bei einer Schimmelverpaarung fallen und nicht die gewünschten typischen Zeichnungsmerkmale aufweisen oder um Tiere die mit Tieren die eine Weissscheckung aufweisen verpaart wurden und deshalb nicht die gewünschten Merkmale aufweisen. Sie tragen das Schimmelgen ohne dass man es ihnen ansieht und bergen damit bei falschen Verpaarungen die gleichen Riskofaktoren. Diese Tiere dürfen ebenfalls nicht unkastriert oder ohne Merkblatt in unerfahrene Hände abgegeben werden. 
 
Magpie: Dieser Farbschlag weist durch seine gebrindelten Farbfelder eine gewisse Ähnlichkeit mit Schimmeln auf und könnte damit verwechselt werden. Magpies haben aber mit der besonderen Genetik der Schimmel nichts zu tun und tragen kein Letalgen.
 
Versteckter Schimmel, sieht aus wie ein Tier mit
Weißscheckung, ist aber lt. Abstammungsnachweis
aus einer Schimmelverpaarung gefallen.
  Magpie in Schwarz-Weiss zum Vergleich
Optisch könnte dies ein schlecht gezeichneter Schimmel
sein, ist aber lt. Abstammung definitv ein Magpie.
meerschweinchen schwarz weiss   meerschweinchen magpie

 

 

Letal White Babys - zum Sterben verurteilt!

Diese Bilder zeigen zwei sog. Letalbabys, welche wohl die Geburt überlebt haben, aber durch die starken Kiefermissbildungen
keine Überlebenschance hatten. Vielen Dank an Cornelia Schicketanz aus Wien (www.meerschweinchenberatung.at), die
mir diese interessanten Fotos zur Verfügung gestellt hat. Die Bilder wurden mit freundlicher Genehmigung eingestellt und unterliegen dem
Copyright der jeweiligen Besitzer, Cornelia Schiketanz

 

letal white babys

Polydaktylie & Atavismus bei Meerschweinchen

Polydaktylie:

Hierbei handelt es sich um eine genetisch bedingte Veranlagung zur Bildung von über die artspezifische Anzahl hinausgehende Zahl von Fingern und/oder Zehen. Das Wort Polydaktylie kommt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt: Vielfingrigkeit.
Die Polydaktylie kommt nicht nur bei uns Menschen, sondern bei den verschiedensten Säugetierarten vor. So findet man Viezehigkeit auch bei Meerschweinchen.


Die Meerschweinchen zeigen beispielsweise an den Hinterfüßen 4 oder mehr statt 3 Zehen. Die Anzahl der Zehen kann auch ungleichmäßig verteilt sein, also beispielsweise hinten rechts 5 Zehen und hinten links 3 Zehen. Normalerweise haben die Tiere keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen dadurch.

Oft sind die Zehen nicht richtig ausgebildet und hängen ohne knöcherne Verbindung nur mit einem Hautfetzen baumelnd am Fuß. Bei den sogenannten Anhängselzehen handelt es sich um Atavismus. In diesem Fall wird der Tierarzt zur Amputation des Anhängsels raten um Verletzungen durch hängen bleiben und abreissen zu vermeiden.

Am häufigsten begegnet man Polydaktylie bei Cuys, den Riesenmeerschweinchen. Sehr viel seltener kommt diese Veranlagung bei den Hausmeerschweinchenrassen vor.

In der Rassezucht gilt das Vorhandensein von überzähigen Zehen als Fehler, es ist, wenn es sich um Polydaktylie handelt ein Erbfehler und diese Tiere solllten deshalb nicht zur Zucht eingesetzt werden. Das mag auch der Grund sein, warum man die Vielzehigkeit bei Rassemeerschweinchen nicht so oft findet, man hat sie einfach über Jahre "ausgezüchtet".



Atavismus:

Atavismus: Hierbei werden durch spontane Erbänderungen (Mutation) entweder eine genetische Situation wie bei einer Ahnenform wiederhergestellt (Rückmutation) oder dadurch bislang reprimierte (latente) Gene wieder aktiviert (Genregulation). b) Hybrid-Atavismus: Durch Bastardierung nahe verwandter Arten können Genkombinationen entstehen, die die Merkmalsausbildung von Ahnenformen bedingen. c) Atavismus in Form von Hemmungsmißbildungen: durch Störungen in der Embryonalentwicklung können dort nur vorübergehend auftretende Organbildungsstadien, die ursprüngliche Merkmale rekapitulieren (Rekapitulation, Biogenetische Grundregel), an der weiteren Differenzierung gehindert werden und so am fertigen Organismus erhalten bleiben (persistieren). Hierher gehören beim Menschen gelegentlich auftretende Halsfisteln, die persistierenden "Kiemenspalten" eines embryonal angelegten Kiemendarms entsprechen. – 2) Neben Atavismen aus dem morphologischen Bereich kommen auch Verhaltensatavismen vor. Diese werden den Hybrid-Atavismen zugeordnet. Hierbei treten bei Artbastarden Verhaltensweisen auf, die bei den jeweiligen Elternarten nicht vorkommen, sondern von ursprünglicheren, verwandten Arten gezeigt werden. Verhaltensatavismen sind z. B. bei Haus-Sperlingen bekannt. Diese bauen ihre Nester normalerweise in Nischen; als Verhaltensatavismus wird der Bau von Kugelnestern beschrieben – eine Bauweise, die von ursprünglicheren Arten der Webervögel genutzt wird. Bei Artbastarden verschiedener Arten der Schwimmenten werden vor allem bei der Balz atavistische Verhaltenselemente gezeigt. Pluripotenz, Vries (H. de).
Quelle: http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/atavismus/5710
Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg
Lexikon der Biologie

 

Es handelt sich also um anatomische Merkmale, die Urahnen von Mensch und Tier einst hatten, die aber durch Evolution zurückgebildet wurden weil sie nicht mehr gebraucht wurden und nun spontan bei einzelnen Individuen wieder zum Vorschein kommen.

 

Wie kann sich Atavismus bei unseren Meerschweinchen zeigen?

Bei Meerschweinchen treten gelegentlich spontan einzelne Zehen, sogenannte Anhängselzehen auf. Vereinzelt findet man auch den Begriff Afterkralle. Diese haben keine knöcherne Verbindung zum Fuß und keinerlei Funktionsfähigkeit. In diesem Fall spricht man von Atavismus. Anscheinend besteht hier  aber wohl ein genetischer Unterschied zur Polydaktylie und wird oft damit verwechselt. Meiner Ansicht nach kann man kann ohne genetische Untersuchung nicht gesichert sagen, ob es sich um die oben beschriebene Polydaktylie in schwacher Ausprägung, oder um echten Atavismus handelt. Deshalb sind die Tiere vorsichtshalber von der Zucht auszuschließen.

Eine andere Form des Atavismus bei Meerschweinchen ist das Vorhandensein von mehr als 2 Zitzen am Gesäuge, was aber meist erst nach dem ersten Wurf auffällt, wenn die Milch einschießt und das Gesäuge anschwillt. Da es sich dabei nicht um einen "Erbfehler" handelt, muss man die Tiere nicht von der Zucht ausschließen. Für die Jungtiere ist es sogar praktisch, wenn die Mama mehr Plätze an der Milchbar hat.